stille_meditation

Für viele von uns ist das ungewohnt – vielleicht sogar beängstigend. Denn wer Stille nicht kennt, spürt schnell: Da ist etwas, das sich nicht kontrollieren lässt. Keine klar definierte Form, keine Handlung, kein Ziel. Nur Raum. Und genau in diesem Raum beginnt oft ein innerer Alarm.

„Ich lag vor Kurzem auf der Wiese. In meinem Bauch breitete sich eine Leere aus. Erst wollte ich sie sofort füllen – mit Essen, mit Gedanken. Doch dann habe ich den Impuls ausgehalten. Und etwas Unerwartetes geschah: Die Leere verwandelte sich. Mein Herzchakra begann zu rotieren. Es wurde still – aber lebendig.“


Kennst du das?

Vielleicht hast du es auch schon erlebt – ohne es direkt benennen zu können:

– Du hast endlich Feierabend, alles ist erledigt – und plötzlich fühlst du dich rastlos oder unruhig
– Du wachst mitten in der Nacht auf, alles ist still – und in deinem Kopf beginnt ein Gedankenkarussell
– Du sitzt im Auto, wartest auf jemanden, der Moment ist friedlich – und wie aus dem Nichts kommt ein unangenehmes Gefühl in der Bauchgegend
– Oder du hast einfach einen Moment Zeit für dich – und greifst automatisch zum Handy, obwohl nichts Dringendes ansteht

Diese Momente wirken oft unscheinbar – und doch tragen sie ein tiefes Thema in sich: die Angst vor der Leere. Vielleicht erscheint sie dir wie ein Vakuum, eine Unsicherheit, ein Unbehagen. Etwas, das du nicht genau greifen kannst – und das dich deshalb verleitet, schnell wieder in Aktivität, Gedanken oder Ablenkung zu flüchten.

Doch was wäre, wenn genau diese Momente das größte Geschenk in sich tragen?


Die Leere will nicht gefüllt werden – sie will gespürt werden

Wir leben in einer Welt, die pausenlos gefüllt ist – mit To-do-Listen, Gesprächen, Nachrichten, Bildern, Geräuschen. Wenn für einen Moment alles davon wegfällt, offenbart sich ein Zustand, den viele als „Leere“ bezeichnen – in Wirklichkeit ist es reiner, ungeformter Raum.

Und weil dieser Raum keine klare Richtung vorgibt, beginnt der Verstand, ihn zu füllen. Nicht selten mit schmerzhaften Gedanken oder Erinnerungen. Lieber Schmerz als Leere, sagt sich das Ego – denn Schmerz ist zumindest bekannt.

Eine Patientin schilderte mir kürzlich, dass sie beim Zähneputzen plötzlich und unerwartet eine starke Verlustangst spürte:

„Alles war ruhig. Ich hatte nichts weiter zu tun. Plötzlich kam der Gedanke: Was, wenn mein Partner mich verlässt? Ohne einen konkreten Anlass. Einfach so.“

Diese Erfahrung teilen viele. Unser Ego empfindet die Ruhe als Kontrollverlust – es greift dann zu alten Überlebensstrategien: Angst, Drama, Selbstkritik. Es füllt, was eigentlich leer bleiben darf. Denn genau darin liegt das Heilpotenzial.


Es ist in Ordnung, wenn ein Teil von dir Angst hat

Vielleicht spürst du Widerstand, wenn du dich der Stille näherst. Vielleicht zeigt sich Unruhe, Unsicherheit, ein Impuls zu flüchten oder dich abzulenken. All das darf da sein.

Diese Anteile in dir – die die Leere nicht wollen, die die Kontrolle behalten möchten, die Angst vor dem Unbekannten haben – sie sind willkommen. Sie haben einst gelernt, dich zu schützen. Und auch sie gehören zur Stille – sie haben nur vergessen, dass sie nicht laut sein müssen.

Wenn du ihnen heute sagen kannst: „Auch ihr dürft da sein. Ich höre euch. Und ich bleibe trotzdem hier.“ – dann beginnt eine tiefere Wandlung.


In der Leere wartet das Herz

Was geschieht, wenn wir die Leere nicht sofort füllen? Wenn wir sitzen bleiben – atmen – fühlen – und der Leere erlauben, da zu sein?

Dann kann etwas Magisches geschehen. Die Stille beginnt zu sprechen. Sie wird nicht leer, sondern gehalten, weit, durchlässig. Und tief darin spüren wir uns selbst – nicht als das, was wir tun oder denken, sondern als das, was wir sind.

Es ist diese Qualität der Stille, die das Herz zum Leuchten bringt. Nicht laut, nicht spektakulär – sondern zart, still, erlösend.


Ein neuer Umgang mit der inneren Leere

Wenn wir bereit sind, die Leere nicht als Feind zu betrachten, sondern als Einladung, verändert sich etwas Grundlegendes:

– Wir hören auf, sie mit Gedanken zu übertönen
– Wir erkennen alte Mechanismen, die Schmerz als Schutz nutzen
– Wir erfahren, dass Stille nicht Abwesenheit, sondern Präsenz ist
– Wir entdecken: In der Leere beginnt unser wahres Sein


Impulse zur Integration

– Setz dich einmal täglich für 5 Minuten bewusst in die Stille
– Spüre in den Körper: Wo zieht es dich „nach außen“ – wo nach innen?
– Wenn Schmerz auftaucht, frag dich: Will ich gerade die Leere vermeiden?
– Atme. Und lausche. Ohne zu bewerten.


Eine kleine Meditation zur Stille

Du kannst diese Worte in Gedanken mitlesen – oder sie dir sanft vorlesen lassen:

Setz dich bequem hin.
Spüre deinen Atem – wie er kommt und geht.

Spüre deinen Körper – und erlaube ihm, zu sinken.
In die Unterlage. In den Moment.

Stell dir vor, vor dir öffnet sich ein leerer Raum.
Kein Ziel. Kein Lärm. Kein Müssen.

Vielleicht zeigt sich ein Widerstand – ein Teil in dir, der flüchten möchte.
Sag ihm innerlich: „Du bist willkommen. Ich sehe dich. Und ich bleibe.“

Lass deinen Atem weich werden.
Spüre das leise, stille Pulsieren unter allem.

Und vielleicht – nur vielleicht – beginnst du jetzt zu ahnen:
Diese Leere ist nicht leer.
Sie ist voller Leben.
Voller Herz.
Voller dir.